10. Februar 2022: Ein Bericht von Petra Bröckmann, 1. Vorsitzende der Deutsch-Amerikanischen Gesellschaft Gießen – „Die Brücke“
Mein Mann und ich waren vorletztes Wochenende im Ahrtal, das von der Flut im Juli 2021 so in Mitleidenschaft gezogen wurde. Wir sind nicht als „Katastrophen-Touristen“ hingefahren, sondern weil mein Mann eine größere Spende überbringen wollte. Was ich dort gesehen habe, hat mich zutiefst berührt und lässt mich kaum los. Es ist immer noch ein bisschen so, als wäre man in einem „halb aufgeräumten Mad-Max Film“. Man kann sich nicht vorstellen, wie es den Leuten dort immer noch geht. Die meisten Häuser sind zum Großteil noch völlig unbewohnbar. Heizungen funktionieren nicht. In einem Ort (Dernau), den wir angefahren haben, gibt es immer noch keinen Strom. Dort stehen mobile Flutlichtanlagen an den Straßen und in der Luft hängt immer noch der Geruch von Heizöl.
Ich habe von einem Spendenprojekt erfahren, wo man mit nur € 5,- im Monat, ein Betrag, der den meisten von uns nicht weh tut, wirklich Familien helfen und Gutes bewirken kann (die Menge der Spender machts). Diese € 5,- monatlich landen direkt auf dem Spendenkonto der Familie, die man unterstützen will. Jedes Haus, das an dem Projekt teilnimmt, hat einen "Paten", der genau über den Fortschritt der Arbeiten informiert. Es gibt zur Flut ein Video, das eine betroffene Familie gedreht hat: Flutkatastrophe im Ahrtal (Kreis Ahrweiler) - "5 Euro Haus" (http://www.5eurohaus.de) - We Ahr One. Viele Familien waren nicht gegen Hochwasser versichert, da sie bis zu 300 m von der kleinen Ahr entfernt wohnen. Da hat niemand an Hochwasser gedacht.
Ich weiß, dass auch in anderen Teilen Deutschlands oder der Welt dringend finanzielle Hilfen benötigt werden, aber als ich die Zustände im Ahrtal gesehen habe, habe ich mich erstmal für diese Spendenaktion entschieden. Ich stehe auch in Kontakt mit dem Initiator Jörg Burghardt, den man auch gerne jederzeit kontaktieren darf.
Als ich im Ahrtal Bilder gemacht habe, habe ich die Betroffenen gefragt, ob es ok wäre, zu fotografieren (ich wollte nicht als neugierige Touristin dastehen) und
sie haben mir alle gesagt, dass ich knipsen soll, soviel ich will und die Dinge, die ich gesehen und erlebt habe "in die Welt tragen solle". Viele Menschen haben das Ahrtal schon vergessen.
Zugegebenermaßen muss ich sagen, hier in Gießen hört man nichts mehr von der Katastrophel Es sieht dort wirklich noch schlimm aus.
Ich habe mir verschiedene Projekte/Häuser angesehen und dachte, es sei eine schöne Idee, den Wiederaufbau des Hauses von Alexandra Mausberg und ihrer Tochter Andrea zu unterstützen. Sie ist Hebamme und möchte wieder neuem Leben auf diese Welt helfen...aber zunächst einmal muss ihr Leben wieder in Ordnung gebracht werden, also ihr Haus.
5-Euro-Haus für Alexandra: Sandra (joerg-burghardt.de)
(mit der Erlaubnis von Frau Bröckmann)
Unser Besuch im Ahrtal
Eine weggerissene Brücke und viel Geröll entlang der Ahr waren unser erster Eindruck, als wir in Ahrweiler ankamen. Ziel unseres Besuchs war, die „AHRche e.V.“ zu besuchen und kennenzulernen, ein Verein, der sich nach der Flutkatastrophe dort gebildet hat, um die Menschen, die alles oder zumindest einen Großteil ihres Besitzes, ihres Hauses, verloren haben, zu unterstützen. Dort ist eine Zeltstadt entstanden, wo die Betroffenen und die vielen ehrenamtlichen Helfer sich austauschen, wo man Werkzeuge leihen kann, ein kostenloses Essen im Versorgungszelt bekommt (viele Menschen haben in ihren Häusern immer noch keine Küche, weil die Erdgeschosswohnungen in Ahrweiler größtenteils noch nicht wieder bewohnbar sind). Es gibt in der Zeltstadt andere kleine Container, wo z.B. ein Friseur und ein Podologe arbeiten, damit den Menschen wenigstens ein bisschen Normalität geboten werden kann. Das Ganze wurde auf einem ehemaligen Campingplatz errichtet. Im Haus des früheren Platzverwalters wurde dank Spendengeldern ein Waschsalon eingerichtet, wo die Menschen kostenlos Waschmaschinen nutzen können.
Von 46 Brücken, die in der Gegend über die Ahr führten, sind alle den Fluten zum Opfer gefallen. Das THW hat neue Holzbrücken gebaut, sodass die Menschen wenigstens auf die andere Seite der Stadt gelangen können um z.B. einzukaufen. Direkt nach der Flut waren sie komplett abgeschnitten, bzw. mussten 47 km Umweg fahren, um zur anderen Seite der Stadt zu gelangen. Allerdings sind natürlich auch die Autos den Fluten zum Opfer gefallen.
Die Stadt, die vom Tourismus und dem Weinanbau lebt, ist wunderbar gelegen – eingebettet in ein romantisches Tal, umgeben von steilen Weinbergen. Von dieser Idylle ist allerdings nicht mehr viel zu spüren. Man kann nur erahnen wie schön es hier mal war. Die meisten Häuser, auch bis zu 300 m entfernt von der Ahr, standen bis zum 2. Stockwerk unter Wasser, manche im Nachbarort Dernau, bis zur Regenrinne des Daches. Die Häuser, wenn sie noch zu retten sind, müssen alle entkernt werden und selbst der Estrich muss entfernt werden, da durch ausgelaufenes Heizöl, das sich mit dem Schlamm vermischt hat, diese Pampe unter den Estrich gelaufen ist. Im Nachbarort Dernau stand ich für einen Moment auf Schottergeröll an der Ahr und roch….Heizöl! Strom gibt es in Dernau wohl noch nicht überall, zumindest keine Straßenbeleuchtung. Dort stehen provisorische Anlagen als Straßenbeleuchtung. Die Menschen aus Dernau allerdings wohnen nicht in ihren Häusern, sondern sind irgendwo untergekommen. Die Häuser sind allesamt unbewohnbar, wurden bereits teilweise abgerissen oder werden gerade kernsaniert.
Was mir auffiel, war die Zuversicht der Menschen, die wir getroffen haben. Im Versorgungszelt saß neben mir beim Essen eine Frau, die ich fragte, ob sie Betroffene oder Helferin sei und sie sagte mir halb lachend, dass sie Betroffene sei und in der Nähe wohne, aber keine Küche habe. Auch ihr Haus ist im Erdgeschoss nicht bewohnbar.
An den Häuserwänden ist von der Feuerwehr markiert, ob in dem jeweiligen Haus Gasleitungen liegen oder wieviel Heizöl in den im Keller gelegenen Tanks war. Auf den folgenden beiden Bildern sieht man z.B. „G“ für „Gas“, aber auch die kaputten Fensterscheiben und die Eingangstür sowie die Markierung,
dass in dem betroffenen Haus ein Heizöl tank im Keller steht (oder: stand; sind wohl alle in den Fluten zerborsten). Bei anderen Häusern ist alles mit Brettern zugenagelt. Es wird noch sehr lange dauern, bis hier so etwas wie Normalität zu erwarten ist.
Ich war ehrlich erschüttert darüber, wie viele provisorische Feldküchen und Zelte überall noch aufgeschlagen sind. Die Spuren dieser Katastrophe wird man noch lange sehen. Dennoch haben die meisten Menschen viel Mut und die Zuversicht, irgendwann wieder in ihr normales Leben zurückkehren zu können.
Da aber der Tourismus und die Weinproduktion erst einmal ausgehebelt sind, haben die Menschen dort auch kein Einkommen und sind auf Spenden angewiesen.
Wir alle können etwas tun. Man kann Mitglied im Verein „Die AHRche e.V.“ werden (Jahresbeitrag ab € 12,-), oder das Projekt „5-Euro-Haus“ unterstützen. Infos unter: www.die-AHRche.de
Ein großes Problem ist, dass staatliche Hilfen kaum fließen. Die bürokratische Hürde, staatl. Hilfen zu beantragen, ist einfach sehr hoch. Da werden Dokumente und Versicherungsnummern, Hausunterlagen und vieles mehr abgefragt, die nicht vorhanden sind! Ist alles abgesoffen und in Schlamm versunken!
Das 5-Euro-Haus ist das Projekt, das ich euch gerne vorstellen möchte, in der Hoffnung, dass einige mitmachen. Der Betrag von € 5,- im Monat tut den meisten von uns nicht weh, hilft den Betroffenen aber immens. Schaut euch mal bitte die Webseite von Jörg an, der das Projekt ins Leben gerufen hat. Auf seiner Webseite könnt ihr euch Objekte ansehen die noch Unterstützung brauchen. Der jeweilige Pate, der für ein bestimmtes Objekt auf der Webseite benannt ist, informiert uns als Spendergruppe regelmäßig über den Fortschritt der Renovierungen/des Wiederaufbaus. Es funktioniert!
Ich bin an so einem 5-Euro-Haus vorbeigefahren, um mit eigenen Augen zu sehen, was da geleistet wird.
Zum Abschluss füge ich noch diesen Link zu einem, wie ich finde, beeindruckenden Video ein, das die Verwüstung ganz deutlich macht. Die Strecke entspricht in etwa der Strecke, die wir gefahren sind:
Vor und nach der Flut 2021: Die Ahr-Rotweinstraße von Altenahr nach Dernau - YouTube
Petra Bröckmann